Acetaldehydsyndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Acetaldehydsyndrom bezeichnet man die Reaktion des Organismus auf eine akute Intoxikation aufgrund eines Enzym-Mangels, des sogenannten ALDH-2 Defekts. Die Folge sind verschiedene Unverträglichkeitserscheinungen, die sich mehr oder weniger stark auf die Gesundheit des Betroffenen auswirken können. Im folgenden Artikel wird näher auf Symptome, Ursachen und Behandlung des Syndroms eingegangen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Acetaldehydsyndrom?

Das Acetaldehydsyndrom (auch Antabus- oder Disulfiram-Syndrom) beschreibt eine akute Vergiftungserscheinung (Intoxikation) des Körpers, die durch einen verlangsamten Abbau aufgenommener Toxine (Acetaldehyde) verursacht wird. Toxisch können dabei Inhaltsstoffe bestimmter Antibiotika und Antipilz- oder Malariamittel in Verbindung mit Alkohol wirken. Das Risiko des Auftretens des Acetaldehydsyndroms besteht somit vorrangig während der Einnahme dieser Medikamente, weshalb während der Einnahmezeit der Medikamente unbedingt auf den Genuss von Alkohol verzichtet werden sollte.

Weiterhin können bestimmte Pilze, wie der Faltentintling (Coprinopsis atramentaria, Syn. Coprinus atramentarius) das Syndrom hervorrufen, genau wie der Kontakt mit einigen chemischen Pestiziden. Das Acetaldehydsyndrom lässt sich besonders häufig bei Patienten asiatischer Abstammung beobachten, da diese verbreitet einen Mangel am Enzym Aldehyd-Dehydrogenase 2 aufweisen, welches für den Abbau der Giftstoffe verantwortlich ist. Dieser ALDH-2 Defekt ist auch der Grund für die bekannte Alkoholunterverträglichkeit von Ostasiaten, die nahezu jeden zweiten Japaner, Chinesen oder Koreaner betrifft. Als positive Folge dieses Effekts lässt sich die Alkoholkrankheit in diesen Regionen vergleichsweise selten beobachten.

Ursachen

  Ursache des Acetaldehydsyndroms ist eine gestörte Verstoffwechselung des Acetaldehyds, welche durch einen Mangel am abbauenden Enzym Aldehyd-Dehydrogenase 2 hervorgerufen wird. Dieser Mangel ist entweder a) evolutionär bedingt und angeboren oder wird b) durch die gleichzeitige Aufnahme von Alkohol und Aldehyd-Dehydrogenase 2-hemmenden Substanzen verursacht. Der angeborene ALDH-2 Defekt (a) tritt verbreitet im asiatischen Raum auf. Hier hat sich die genetische Alkoholintoleranz in den letzten Jahrtausenden ernährungsbedingt im Erbgut der Menschen manifestiert.

Anders als bei der angeborenen Enzymschwäche verhindern Aldehyd-Dehydrogenase 2-hemmende Substanzen in bestimmten Medikamenten wie Antibiotika, Malariamitteln oder chemischen Stoffen wie Pestiziden den Abbau von Alkohol in Essigsäure. In beiden Fällen verbleibt der nicht abbaubare Alkohol länger im Organismus und wirkt dadurch toxisch. Der medizinische Wirkstoff Disulfiram, der dem Syndrom seinen Namen gab, wurde in der Vergangenheit unter dem Namen „Antabus“ als Entwöhnungsmittel für alkoholkranke Menschen angewendet. Nach der Gabe des Medikaments entwickeln die Patienten starke Unverträglichkeitsreaktionen auf alkoholhaltige Getränke und Speisen und sollen damit vom Alkoholgenuss abgebracht werden. Da diese Reaktionen bei größeren Alkoholmengen jedoch in Extremfällen den Tod der betroffenen Personen verursachen können, wird das Medikament heutzutage nur noch selten angewendet.

Symptome und Verlauf

Typische Symptome des Acetaldehydsyndroms:

  • gerötetes Gesicht

Bereits nach kleinsten Mengen Alkohol können sich bei Betroffenen innerhalb von wenigen Minuten multiple Symptome zeigen. Diese können vereinzelt aber auch erst nach mehreren Tagen nach dem Alkoholgenuss auftreten. Symptomatisch sind Rötungen des Gesichts und des Brustkorbs und ein ausgeprägtes Hitzegefühl der Patienten. Häufig empfinden diese auch einen Juckreiz am gesamten Körper, starke Kopfschmerzen und Schwindelgefühl durch zu hohen oder zu niedrigen Blutdruck.

Des Weiteren kann mit dem Syndrom eine Atembeschleunigung und Herzrasen bis hin zu Herzrhythmusstörungen einhergehen. Schockzustände, Übelkeit und Erbrechen können ebenso auftreten wie Magenprobleme und Durchfall, Krämpfe oder psychische Beschwerden wie beispielsweise Angstzustände. Im schlimmsten Fall besteht die Möglichkeit eines Kreislaufkollaps oder eines Komas. In den meisten Fällen verläuft das Acetaldehydsyndrom jedoch mild. Die Unverträglichkeitserscheinungen halten in der Regel drei bis sechs Stunden an und verschwinden dann von selbst.

Diagnose

Die Diagnose des Acetaldehydsyndroms erfolgt anhand der beobachteten Symptome und einer eingehenden Anamnese, also einer Befragung des Patienten nach seiner medizinischen Vorgeschichte und dem etwaigen Genuss bestimmter Lebensmittel, Medikamente und Alkohol in der jüngeren Vergangenheit. Eine gründliche körperliche Untersuchung schließt sich in der Regel an. Sobald Ursache und Diagnose feststehen, kann eine unterstützende Behandlung erfolgen sofern dies notwendig erscheint, da die Symptome in der Regel von selbst wieder verschwinden.

Komplikationen

Durch das Acetaldehydsyndrom kommt es beim Patienten zu verschiedenen Symptomen, die für eine Vergiftung sprechen. In der Regel treten dabei starke Rötungen und Hitzewallungen auf, welche zu Schweißausbrüchen führen können. Die Rötungen können dabei am gesamten Körper auftreten und mit Pickeln und einem Juckreiz verbunden sein. Ebenso verringert sich der Blutdruck und der Betroffene fühlt sich schwach und krank. In schwerwiegenden Fällen kommt es zu Durchfall, Erbrechen und einer Übelkeit. Auch das Herz kann durch einen erhöhten Herzschlag oder durch andere Störungen betroffen sein. Nicht selten fällt der Betroffene in Ohnmacht. In den meisten Fällen treten keine besonderen Komplikationen ein, wenn die Giftmenge eine letale Dosis nicht überschritten hat. Die Symptome verschwinden dabei meistens schon nach wenigen Stunden wieder, sodass sich ein positiver Krankheitsverlauf ergibt. Nur in schwerwiegenden Fällen ist eine akute Therapie notwendig, um den Tod des Patienten zu verhindern. Meistens muss der Betroffene dann auf die Einnahme von Alkohol einige Tage lang verzichten. Die Lebenserwartung wird durch das Acetaldehydsyndrom nicht verringert.

Behandlung und Therapie

Wenn der Verlauf komplizierter erscheint, besteht die Möglichkeit einer symptomatischen Therapie, das heißt, dass die auftretenden Symptome behandelt werden, nicht die Ursache des Acetaldehydsyndroms selbst. Bei schweren Unverträglichkeitsreaktionen im Magen-Darm-Trakt kann dabei Aktivkohle als Adsorptionsmittel eingesetzt werden. Der neunzigprozentige Kohlenstoff wirkt durch seine Struktur wie ein Schwamm, der dabei hilft, die Giftstoffe schneller aus dem Organismus zu entfernen.

Um die Unverträglichkeitssymptome im Herz-Kreislauf-System, wie beispielsweise Herzrasen, zu behandeln, hat sich die Gabe von Betablockern bewährt. Diese sorgen dafür, dass die Herzfrequenz verlangsamt und stabilisiert wird. Im Gegenzug empfiehlt sich bei einem zu niedrigen Blutdruck und dem drohenden Risiko eines Kreislaufschocks die intravenöse Gabe von Flüssigkeit zur Volumensubstitution. Damit kann der Blutdruck wieder angehoben und stabilisiert und eine bessere Sauerstoffversorgung der Organe erreicht werden. In jedem Falle sollte der Betroffene für eine gegebene Zeit unter ärztlicher Aufsicht überwacht werden, bis sein Gesundheitszustand wieder hergestellt ist. Des Weiteren sollte der Patient für mindestens fünf Tage komplett auf Alkohol verzichten.


Vorbeugung

Die beste Maßnahme zur Vorbeugung eines Acetaldehydsyndroms besteht darin, generell keinen oder nur wenig Alkohol zu sich zu nehmen. Dies gilt jedoch für eine gesunde Lebensweise generell und nicht nur im Hinblick auf das Acetaldehydsyndrom. Wer nicht auf die entspannende Wirkung von Alkohol ab und an verzichten möchte, muss die Begleiterscheinungen akzeptieren. Hier empfiehlt sich einmal mehr, sein individuelles Limit für Alkoholgenuss zu kennen.

Betroffene werden auch von kleinen Mengen schneller betrunken, da der Alkohol in ihrem Organismus langsamer abgebaut wird. Eine weitere vorbeugende Maßnahme ist der Verzicht auf bestimmte Pilzsorten. Da bei vielen Pilzen generell eine große Ähnlichkeit und damit Verwechslungsgefahr besteht, sollten die Pilze im Zweifel lieber nicht verzehrt werden. Ebenso sollte bei der Einnahme von Medikamenten stets der Beipackzettel aufmerksam gelesen werden, um etwaige Kontraindikationen mit Alkohol oder anderen Lebensmitteln zu vermeiden.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2011
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart
  • Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013
  • Arastéh, K., et al.: Duale Reihe. Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021

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