Agnosie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 22. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei einer Agnosie handelt es sich um ein neuropsychologisches Symptom. Es ist auf eine Beeinträchtigung der Verarbeitung von Informationen im Gehirn zurückzuführen. Mögliche Ursachen einer Agnosie sind zum Beispiel Funktionsausfälle in bestimmten Bereichen des Hirns. Eine Behandlung der seltenen Erkrankung läuft in den meisten Fällen auf Kompensationsstrategien heraus.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Agnosie?

Bei einer Agnosie handelt es sich um eine Störung der Verarbeitung von Informationen im Gehirn. Läsionen im Gehirn sind für die Beeinträchtigung verantwortlich.

Die Bezeichnung Agnosie stammt aus dem Griechischen und steht dort für ‚Nichtwissen‘. Der Begriff wird mit dieser Bedeutung zum Beispiel auch in der Philosophie angewendet. Im medizinischen Kontext bezeichnet die Agnosie jedoch ein spezielles neuropsychologisches Symptom, das überaus selten vorkommt. Im Rahmen einer Agosnie funktioniert die Verarbeitung von Informationen im Gehirn nicht mehr auf die übliche Weise.

Das seltene Phänomen kommt in der Regel nach uni- oder bilateralen Läsionen in speziellen Arealen des Hirns vor. Kennzeichnend für eine Agnosie ist, dass die betroffenen Patienten zwar in der Lage sind, sämtliche Objekte in ihrer Umgebung über die Sinnesorgane wahrzunehmen. Jedoch können die Personen diese Objekte bzw. die Wahrnehmungen nicht mehr korrekt zuordnen oder benennen.

Es ist den Betroffenen nicht mehr möglich, Dinge zu erkennen, wenngleich kognitive Störungen, sensorische Defekte oder Störungen der Aufmerksamkeit nicht vorhanden sind. Der Begriff Agnosie wurde ursprünglich von Sigmund Freud in die Medizin eingeführt. Er verstand darunter die Unfähigkeit, gesehene Objekte ihrer Bedeutung zuzuordnen, während das Sehvermögen unbeeinträchtigt ist. Freud zufolge zählen zur Agosnie auch die sogenannte Seelenblindheit sowie die Rindenblindheit. Die Rindenblindheit ist eine spezielle Form der Blindheit, die trotz gesunder Augen infolge eines Funktionsverlusts der Sehrinde im Hirn auftritt. Im Rahmen einer Seelenblindheit werden Objekte zwar gesehen, können jedoch nicht mehr richtig zugeordnet werden. In der heutigen Zeit wird die Bezeichnung Agosnie für sämtliche Ausfälle von Sinnesmodalitäten angewendet.

Ursachen

Potentielle Ursachen für die Entstehung einer Agnosie sind vielfältig. Im überwiegenden Teil der Fälle tritt die Agnosie infolge der Zerstörung spezieller Bereiche des Gehirns auf. Die beschädigten Hirngegenden sind für bestimmte Informationsprozesse verantwortlich. In Abhängigkeit des beeinträchtigten Bereichs treten damit verbundene Störungen auf. Die verantwortlichen Läsionen am Hirn können zum Beispiel durch Hirntumoren, Hirnverletzungen, Schlaganfälle oder Infekte in der Nähe der Hirnhäute oder am Gehirn auftreten.

Darüber hinaus sind mitunter auch schwere psychische Krankheiten für die Entstehung einer Agnosie verantwortlich. Ist der hintere Bereich des Großhirns im Areal des Okzipitallappens beeinträchtigt, ist in der Folge eine visuelle Agosnie möglich. Denn in diesem Bereich erfolgt die visuelle Informationsverarbeitung. Wenn es in den hinteren Schläfenlappen zu Schädigungen kommt, entwickelt sich in der Folge in vielen Fällen eine akustische Agnosie. Ist der sogenannte Parietallappen beeinträchtigt, kommt es oftmals zu einer Autotopagosnie. Im Rahmen dieser Erkrankung ist die betroffene Person nicht mehr in der Lage, am eigenen Körper auftretende Hautreize zu lokalisieren.

Krankheiten

  • Hirnverletzungen
  • Rindenblindheit
  • Seelenblindheit
  • kognitive Störungen

Wann zum Arzt?

Der Begriff Agnosie bezeichnet in der Medizin allgemein das Unvermögen, Objekte zu erkennen und ihre Bedeutung zu erfassen oder Zusammenhänge zu verstehen. Betroffene haben zwar faktisch intakte Sinnesorgane, aber die Verknüpfung zum Gehirn funktioniert nicht mehr richtig. Wenn ein Betroffener plötzlich zum Beispiel gesprochene Worte erkennbar hört, aber ihren Sinn nicht mehr erfassen kann, sich, obwohl er sieht, nicht mehr räumlich orientieren kann und an Gegenstände, Wände und Türen stößt, dann muss unbedingt über die 112 der Notarzt gerufen werden.

Die Symptome deuten nämlich in erster Linie auf einen Schlaganfall hin und dann geht es um Minuten. Je eher mit der Therapie begonnen wird, um so größer sind die Chancen, ihn zu überleben und schwerwiegende Folgeschäden zu vermeiden. Aber auch wenn kein Schlaganfall vorliegt, ist jede plötzlich auftretende Agnosie ein ärztlicher Notfall. Sie ist das Warnsignal einer gefährlichen Störung der Hirntätigkeit und und muss schnell fachärztlich begutachtet und behandelt werden.

Diagnose und Verlauf

Zur Diagnose einer Agnosie stehen zahlreiche verschiedene Methoden der Untersuchung zur Verfügung, über deren Einsatz der behandelnde Arzt je nach Einzelfall entscheidet. Da es verschiedene Arten von Agosnien gibt, hat der Arzt die vorliegenden Symptome zunächst einer Form zuzuordnen. Die typischen Symptome und Beschwerden der Agosnie geben dem Arzt Hinweise darauf, welche Areale des Gehirns von der Störung betroffen sind. Zu diesem Zweck werden diverse Tests durchgeführt, die bestimmten Sinnesbereichen zugeordnet sind.

Prinzipiell erfolgt eine Unterteilung in akustische, visuelle, räumliche oder taktile Agnosien. Zusätzlich existieren die Anosognosie sowie die Autotopagnosie. Eine visuelle Agnosie zum Beispiel wird wiederum in diverse Unterkategorien eingeteilt. Die Prosopagnosie ist eine Störung der Gesichtswahrnehmung. Hierbei ist der betroffene Patient nicht in der Lage, die Gesichter ihm bekannter Personen zu erkennen. Stattdessen erfolgt die Erkennung der Personen zum Beispiel über die typische Gangart oder die Stimme. Ebenfalls zu dieser Kategorie zählt die sogenannte apperzeptive Agnosie. Dabei nimmt die betroffene Person zwar Einzelelemente wahr, kann diese jedoch nicht zu einem sinnvollen Gesamtbild zusammenfügen.

Bei einer assoziativen Agnosie kann die betroffene Person zwar das Gesamtobjekt hinsichtlich Gestalt und Form erkennen, jedoch dessen Funktion nicht zuordnen. Im Rahmen einer Farbagosnie sind die Betroffenen nicht in der Lage, Farben zu erkennen. Bei einer akustischen Agnosie hören die Betroffenen Geräusche, können diese jedoch nicht zu sinnvollen Worten oder zusammenhängenden Sätzen zueinanderfügen. Können sich Menschen im Raum nicht mehr orientieren, so wird dies als räumliche Agosnie bezeichnet. Im Rahmen einer taktilen Agnosie können Objekte, die ertastet werden, nicht korrekt zugeordnet werden. Werden Funktionsausfälle von eigenen Organen oder Körperteilen nicht erkannt, handelt es sich um eine Anosognosie. Dabei hat der Patient das Gefühl, dass ausgefallene Körperteile noch immer funktionstüchtig sind. Aus diesem Grund setzt die Person die entsprechenden Körperteile auch ein, wodurch es unter anderem zu Stürzen kommen kann.

Komplikationen

Zu den möglichen Komplikationen einer Agnosie gehören, abhängig von Schwere und Ursache, an erster Stelle motorische Beeinträchtigungen sowie Funktionsstörungen der einzelnen Sinnesorgane. Durch das neuropsychologische Symptom ist häufig der Gleichgewichtssinn stark beeinträchtigt. Nicht selten kommt es in diesem Zusammenhang zu einer gesteigerten Fallneigung. Schwere Stürze und Verletzungen stehen nicht selten mit dieser Komplikation im Zusammenhang. Es kommt zu einer eingeschränkten Funktion der Augen und/oder Ohren bis hin zu einem völligen Versagen. Diese Komplikationen können durchaus zu einer Verschlechterung der hauptsächlichen Symptome einer Agnosie führen.

Häufig wird auch eine eingeschränkte intellektuelle Leistungsfähigkeit festgestellt, die selbst unter Ergotherapeuten als teilweise irreparabel gilt. Tritt eine AutotopAgnosie (Unfähigkeit eigene Körperteile zu lokalisieren und zu benennen) auf, können im weiteren Verlauf erlittene Verletzungen und Hautreizungen nicht mehr lokalisiert werden. Die ohnehin stark angegriffene psychische Verfassung kann zu weiterem emotionalen Schaden führen, wenn sie im Verlauf der Agnosie nicht stabilisiert werden kann. Im Extremfall kann eine Agnosie zu schweren geistigen aber auch körperlichen Behinderungen führen. Ist eine medikamentöse Behandlung erforderlich, kann auch diese zu weiteren Komplikationen unterschiedlicher Genese führen. Die Behandlung mittels Ergotherapie ist komplikationslos einzustufen.

Behandlung und Therapie

Spezifische Therapiemethoden für Agnosien existieren nicht. Sind die verantwortlichen Läsionen in einem speziellen Bereich des Gehirns zum Beispiel durch einen Schlaganfall entstanden, bessert sich der Zustand teilweise mit der Zeit von selbst. Dies ist allerdings vom Ausmaß und der Lokalisation der Läsion sowie dem Alter des betroffenen Patienten abhängig. In der Regel erfolgen innerhalb der ersten drei Monate die größten Verbesserungen.

Oftmals kommt es jedoch zu bleibenden Behinderungen. Mittels Ergotherapie soll die Agnosie durch andere Funktionen weitgehend kompensiert werden. Prinzipiell kann die Ergotherapie bei sämtlichen Formen der Agnosie zum Einsatz kommen. Dabei wird von der Tatsache profitiert, dass meist nur selektive Ausfälle im System für Informationsverarbeitung im Hirn vorliegen.


Aussicht und Prognose

Der Verlauf einer diagnostizierten Agnosie ist abhängig vom Schweregrad der vorhandenen Hirnschädigung sowie der Art der Agnosie. Die meisten Formen dieser Erkrankung sind als irreparabel einzustufen. Meist kann beschädigtes Hirngewebe nicht repariert werden. Eine Verschlechterung des Zustandes ist nur dann zu erwarten, wenn die Ursache der Gewebeschädigung nicht herausgefunden oder gestoppt werden konnte. Dies ist jedoch sehr selten der Fall. Bei einer Agnosie sind Auswirkungen auf andere Bereiche mögliche Begleiterscheinungen.

Insbesondere die Gesundheit der Psyche sollte regelmäßig kontrolliert werden. Eine Spontanheilung ist bei einer diagnostizierten Agnosie als unwahrscheinlich einzustufen. Die Erkrankung basiert auf dem Verlust der Funktionsfähigkeit des Gehirngewebes. Dennoch gibt es Behandlungsmethoden, die neues Hirngewebe entstehen lassen und damit eine Linderung ermöglicht wird. Lernen und Gedächtnisbildung sind lebenslang in einem begrenzten Umfang möglich. Es entstehen im Kopf bei gezielten Übungen neue Neuronen sowie Synapsen, die zu einer Verbesserung der vorhandenen Leistungen führt.

Bei Rehabilitationsmaßnahmen durch Logopädie oder Ergotherapie können einige Defizite behoben werden. Gezielte Lernmethoden helfen dabei, dass eine Linderung des aktuellen Zustandes erreicht wird. Dies ist jedoch abhängig von dem Grad der Gewebsschädigung. Je größer die Läsionen im Gehirn, desto geringer sind Erfolge zu erwarten. Hilfe durch eine Transplantation des Hirngewebes ist nach dem derzeitigen Stand nicht möglich.

Vorbeugung

Wirksame Maßnahmen zur Prävention einer Agnosie sind nach dem aktuellen Stand der medizinischen Forschung nicht bekannt. Von umso größerer Bedeutung ist es, bei typischen Anzeichen und Beschwerden einer Agosnie umgehend einen Arzt zu konsultieren. Denn je zeitiger die Agnosie diagnostiziert wird, umso eher kann eine adäquate Therapie eingeleitet werden.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Niethard, F., Pfeil, J., Biberthaler, P.: Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2014
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Payk, T., Brüne, M.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Bewermeyer, H.: Neurologische Differenzialdiagnostik, Schattauer Verlag, 2011

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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